„MONGOFLIPPER“
Projektbeschreibung:
Der behinderte Darsteller Bernd probt mit einem
Stadttheaterensemble an einem Gesellschaftsdrama.
Darin spielt er die Rolle des jungen, behinderten Pascal. Bernd entspricht nicht den klischierten Erwartungen, die seine Mitspieler an ihn haben. Er ist nicht der hilfsbedürftige, naive Mitleidsempfänger, der das typische, dankbare Opfer darstellt. Er provoziert, stört die Proben und kokettiert mit rechten Parolen. Die Situation eskaliert und aus emphatischen Theaterschaffenden werden in kurzer Zeit, wie Peter Nowak im Freitag schrieb, „tobende Kleinbürger“, die rabiat und rücksichtslos ihre humanistischen Werte und gesellschaftlichen Verabredungen verteidigen und am Ende dabei über Leichen gehen.
Mitwirkende:
Silvina Buchbauer / Jörg Kleemann / Mareile Metzner / Matthias
Rheinheimer / Stephan Thiel / Verena Unbehaun
Regie & Text
Cornelius Schwalm
Dramaturgie & Text-Mitarbeit
Sophie Nikolitsch
Bühne
Hovi-M
Andrea Göttert
Premiere am Theaterdiscounter : März 2014
Wiederaufnahme: Februar 2016
THEATERDISCOUNTER
Klosterstraße 44 // D – 10179 Berlin
E / info at theaterdiscounter dot de
T / +49 (30) 28 09 30 62
Kritiken:
Zurück ins betreute Wohnen!
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2016, Nr. 222, S. 35
Zurück ins betreute Wohnen!
Wer über Menschen mit Behinderungen schreibt, gerät in ein Minenfeld. Darf man einen Querschnittsgelähmten "behindert" nennen, einen Blinden oder, und hier wird es ganz heikel, einen Menschen mit Down-Syndrom? Hilft es, sich in das politisch korrekte "anders-begabt" zu retten, oder verschleiert man dadurch die Diskriminierung nur und macht alles noch schlimmer? Die Mitglieder der kleinen Theatergruppe, die gerade das provokative Theaterstück "Pascals Reise ins Glück - Operation Germanenkind" proben, sind sich jedenfalls sehr sicher, auf der guten Seite zu stehen und alles richtig zu machen. In ihrer trashigen Satire geht es um den Jungen Pascal, der in die Fänge eines verrückt-genialen Arztes gerät und von diesem angeblich geheilt werden soll. Die Pointe dabei ist, dass Pascal von dem wirklich behinderten Bernd gespielt wird, und die ganze Truppe ist mächtig stolz auf diesen Authentizitäts-Coup.
Nur leider fällt Bernd als Schauspieler tatsächlich extrem aus der Rolle. Unvermittelt gibt er Obszönitäten von sich und begrabscht hemmungslos die Körper seiner Mitspieler. Die Probe läuft vollends aus dem Ruder, als Bernd schließlich ganz ironiefrei faschistoide Parolen von sich gibt. Nun nämlich lassen auch die bis dahin so betont verständnisvollen Kollegen entnervt die Maske fallen, der ohnehin vollkommen überforderte Regisseur droht hinzuwerfen, und nachdem sich alle mit allen verfeindet und beleidigt haben, wissen sie sich nur zu retten, indem sie Bernd fesseln und knebeln. Das Stück "Mongoflipper" von Cornelius Schwalm, der auch Regie führte, war nun als Gastspiel der Theatergruppe "Maria Kron" in der Theaterperipherie im Titania Bockenheim zu sehen. Mit schonungslosem Blick stellt es arglistige Fragen, gibt aber keine einfachen Antworten. Und trotz des ernsten Themas ist es überaus komisch, den wiedererkennbar lebensecht agierenden Akteuren dabei zuzusehen, wie sie nach und nach die Contenance verlieren und hinter dem Psychogesäusel ihre verdrängten Gefühle hervorbrechen. Das kleine Ensemble kennt sich mit dem Weltverbesserungs-Slang engagierter Theatermacher offenbar bestens aus.
Vor allem Verena Unbehaun als Bernd trägt die neunzigminütige Farce mit dem schönen Untertitel "Ein Randgruppenbestiarium". Allein schon die Besetzung der Rolle durch eine Frau sorgt für die nötige Irritation und ermöglicht es überdies, den Behinderten ohne peinliche Gestik oder Mimik zu spielen. Seine Andersartigkeit besteht vor allem aus einer brutalen Offenheit. Er lässt alles raus und wird ausschließlich dadurch zu einem sozialen Störfall, den die andern so schnell wie möglich wieder schicken wollen,
wohin er gehört: "Zurück ins betreute Wohnen!" MATTHIAS BISCHOFF
„ GROßARTIG ….. MUTIG …... FANTASTISCHE SCHAUSPIELER.....“
DER FREITAG – Online-Ausgabe Wir werden noch gleicher und glücklicher
Mongoflipper Das Theaterkollektiv Mariakron bringt esoterische Nazimedizin und den Umgang mit Behinderten in der freien Theaterszene in einem 90 minütigen Stück zusammen.
Esoterische Nazimedizin, der Umgang mit Behinderten im Theater und die prekären Arbeitsbedingungen von freien Theaterschaffenden. Diese Themenkomplette in ein knapp 90minütiges Theaterstück zupacken ist sicher nicht einfach. Die Gefahr, dass das Stück dann überladen würde, ist groß. Das Theaterprojekt Mariakron sind mit Mongoflipper das Risiko eingegangen. Sie nennen das Stück eine Farce, man könnte auch von einer bitterbösen Komödie reden. Im ersten Teil geht es um den jungen Pascal, einen Jugendlichen, den man als Behinderten bezeichnete, als der Begriff noch nicht so umstritten war. Auf der Suche nach Heilung gerät er an Doktor Hagemann, einen Esoteriknazi. Die Eltern des Jungen müssen auch nicht besonders lange überzeugt werden, mit den rechten Heilern Kontakt aufzunehmen. Mager, die Mutter scheint schon mit ihrem Vornamen ihr Faible für das Germanophile auszudrücken. Eine Erinnerung an die Frau des Reichspropagandaministers war sicher gewollt. Der kommt in einem Video auch vor, wo ein Zusammenschnitt von NS-Propagandafilmen deutlich machen soll, dass völkische Utopien durchaus auch heute noch wirkungsmächtig sind. Dann ist da noch eine Andrea Röpke im Theaterkostüm eingebaut, eine investigative Journalistin im rechten Milieu, die Dr. Hagemann und seiner rechten Esoterikcombo schon lange auf der Spur ist. Bis hierin hätte das Stück das Zeug für aufklärerisches Antifatheater. Im Programmheft finden sich noch einige nützliche Buchtipps zum Themengebiet rechte Esoterik.
Behindertentheater oder Theater der Unterdrückten?
Doch dann kommt der Einschnitt. Vom Mischpult unterbricht der Regisseur das Stück, lässt Szenen wiederholen und reizt Bernd zur Renitenz. Der will nicht mehr auf Befehl den Mongoflipper spielen und schlägt vor, stattdessen mal was zur prekären Arbeitssituation auf freien Theaterbühnen zu machen. Anfangs versuchen die Schauspieler_innen noch geduldig den reniteten Kollegen zum Funktionieren zu bringen. Er spreche sicher wichtige Themen an und davon könnten alle ein Lied singen. Aber jetzt soll nun mal das Stück zum Abschluss gebracht werden. Doch die Situation eskaliert und aus den verständnisvollen jungen Theaterschaffenden, die ja gerne die Probleme von Minderheiten auf die Bühne bringen wollen und dabei die Betroffenen auch selber zu Wort kommen lassen wollen, werden in kurzer Zeit tobende Kleinbürger_innen, die alle Vorurteile, die sie über Minderheiten haben, die nicht in ihrem Sinne funktionieren herausschreien. Am Ende wird dem renitenten Bernd prophezeit, dass er noch in einer geschlossenen Anstalt landet, wenn er so weiter macht. Aber auch in dieser Auseinandersetzung verweigert das Stück eindeutige Identifikationen. Denn Bernd ist nicht nur der renitente Behinderte, der es satt hat, sich von scheinbar gutmeinenden Künstler_innen, die nur ihre Karriere im Sinn haben, kommandieren zu lassen. Bernd entwickelt sich in kurzer Zeit zum Intrigant, der schon mal mit völkischen Erlösungsphantasien spielt und dabei so schlaue Sätze raushaut. „Überall wird die Fahne der Demokratie wehen und wir werden noch gleicher und noch glücklicher“.
Am Ende aber setzen die sich auch mit etwas Zwang und Gewalt durch. Am Ende bekommt Bernd einen Preis für seine Darstellung des Pascal. Die üblichen Sätze von Toleranz für Minderheiten dürfen dabei nicht fehlen. Die Theatermacher_innen haben es geschafft, die Fülle der Themen in einen Stück unterzubringen, ohne dass es überladen wirkt. Es gelingt auch einem scheinbar so grenzenlos toleranten Theaterbetrieb einen Spiegel vorzuhalten. Heute und im März kann man das Stück noch im Theaterdiscounter besuchen.
Von Peter Nowak
Ein Stück im Stück. Eine Theatertruppe setzt zum wahrhaftigen
Spiel an, um es mit ihrer Inszenierung von »Pascal’s Reise ins Glück, Operation Germanenkind« mal der Gesellschaft zu zeigen. Wenn es in der Geschichte um einen Jungen mit Down-Syndrom geht, dann soll es echt sein. Sie nehmen Bernd in ihre Reihen auf. Er ist so einer. Einer mit Trisomie 21. Alles lässt sich gut an. Bernd hat Fantasie. Wie ein Baum im Wind will er sich fühlen. Er spielt mit. Die Proben sind in vollem Gange, wenn das Stück »Mongoflipper.
Eine krasse Farce«, in dem sich »Pascal’s Reise ...« abspielen soll, im Theaterdiscounter beginnt. Erzählt wird darin von Pascal, dessen Eltern nach Heilung für ihr geliebtes Kind suchen und dem esoterisch-faschistischen Internisten Dr. Hagemann auf den Leim gehen. Er verspricht viel, will aus Pascal ein gesundes deutsches Kind machen. Grandiosen beruflichen Erfolg könnte ihm das bringen.
Das wird natürlich nichts. Alle - nicht nur Bernd als Pascal - geraten bei der Produktion des Stücks in eine Überforderungssituation. Damit, dass der Junge plötzlich vehement seine Ideen ins Spiel bringen will, können die Schauspieler irgendwann nicht mehr umgehen. Als er schließlich - vom Stück inspiriert - faschistische Losungen ausstößt, platzt den Schauspielern der Kragen. Schließlich hätten sie sich bemüht, jemanden einzubeziehen, der anders ist. Nun schießt Bernd quer. Das könne doch wohl nicht wahr sein. Wahrlich gerät das alles zur Farce, umgesetzt von Mariakron. Die sich so nennende Theatertruppe kriecht nach eigener Beschreibung seit 2011 mit variierenden Mitstreitern durch das Tal der Lächerlichkeit, um irgendwann in ferner Zukunft auf der Seite des Ruhms wieder hervorzukommen. Die lockere, ironische Herangehensweise ändert nichts an der Ernsthaftigkeit der Themen, die die Schauspieler um den Regisseur Cornelius Schwalm zwischenzeitlich angehen.
Im aktuellen Stück, in der die sogenannte neue germanische Medizin eine Rolle spielt, ist der antisemitische Arzt Geerd Ryke Hamer Vorbild für ihren Dr. Hagemann. Ansatzweise gehen sie bei diesem Vorhaben dem Zusammenhang von Esoterik und Faschismus nach. In überhöhter Art präsentiert, kann das alles beim Zuschauer Gedanken in Gang setzen.
Zur Thematik Behinderte im Theater soll das ebenso geschehen. Die Schauspieler bringen zahlreiche Fragen ins Spiel. »Wie reagieren wir«, ist eine, »wenn der Behinderte nicht das tut, was wir unbewusst von ihm verlangen?« Im Stück wird deutlich, wie sich nach großer Ratlosigkeit Aggression Bahn bricht. Der »Wie-auchimmer-Behinderte«, sagen sie, tauge heute allein längst nicht mehr für eine Menagerie des Abnormen. Dies sei mittlerweile an die sogenannte Unterschicht delegiert worden. Entsprechend bitter ist der Humor, den die Truppe hier vorführt. Denn da ist durchaus etwas dran, wenn man bedenkt, dass sich ein Mensch mit Hartz-IVBudget in einem Staat, der Banken rettet, keine Brille leisten kann, ohne dafür hungern zu wollen.
Die Geschichte um Bernd und die Theatertruppe mit den Schauspielern Silvina Buchbauer, Jörg Kleemann, Mareile Metzner, Matthias Rheinheimer, Stephan Thiel und Verena Unbehaun ist vom Spiel her eine gelungene Farce. Lächerlich stehen die Mimen in den Nazi-Uniformen da, weil sie nicht wissen, wie sie in der Probe fortfahren sollen, während Bernd interveniert. Von Lucía Tirado
Am kommenden Wochenende zeigt der Theaterdiscounter erneut die streitbare Farce 'Mongoflipper', die am 29. Januar Premiere hatte. ’Mongoflipper’ ist eine kollektive Arbeit von Regisseur Cornelius
Schwalm, Dramaturgin Sophie Nikolitsch und Schauspielerin Verena Unbehaun, die unter dem Namen MARIAKRON seit 2011 gemeinsam arbeiten. Zusammen mit fünf weiteren Schauspielern und Schauspielerinnen (tolles Ensemble!) steht Verena Unbehaun in ‘Mongoflipper’ als Bernd auf der Bühne. Bernd scheint sich gewohnten sozialen Normen nicht anzupassen. Er verhält sich eigenbrödlerisch, unsozial,und gelegentlich hat er Tourette-artige Anfälle. Ist er als Mensch mit Behinderung zu bezeichnen? Und lassen sich zusätzliche Förderungen einheimsen, wenn man ihn in einem Theaterstück besetzt? Diese Fragen werden in ‘Mongoflipper’ kess formuliert.
Pascal und Bernd
In der Konstruktion von ‘Mongoflipper’ soll Bernd in einem Theaterprojekt mitwirken. In einem Stück-im-Stück spielt er Pascal, eine Figur, die ebenfalls mit ihrem Anderssein zu kämpfen hat. In eben diesem Theaterstück befinden wir uns während des ersten Drittels von ‘Mongoflipper’, vorgetragen in grüner Kunstrasen-Kulisse. Doch schon bald mischt sich der fingierte Regisseur (Matthias Rheinheimer) manisch in das Geschehen ein, und das Theaterprojekt stößt trotz seiner ach so großen Offenheit an die Grenzen der political correctness. Die Situation eskaliert postdramatisch, und aus Pascal wird Bernd.
Heiße Debatten um Bernds Verhalten entflammen innerhalb der Theatergruppe. Dieser wird darin zur Symbolfigur für eine gegenwärtige Theaterkultur, die sich dezidiert ‘Randgruppen’Thematiken öffnet, und dabei doch in exklusiven und ausschließenden Strukturen verhaftet bleibt. Von postmigrantischem Theater, Menschen mit Behinderung auf der Bühne, dem andauernden Konflikt von Stadttheater versus freie Szene bis hin zum Klischee des ‘armen Künstlers’ : Die Assoziationsmaschinerie ‘Mongoflipper’ lässt in dieser aufgeheizten Schlammschlacht kaum einen Konfliktherd des gegenwärtigen Theaterdiskurses aus. Als selbsternannter ‘Randgruppenkrimi’ treibt die Inszenierung diese Themen selbstreflexiv auf die Spitze. Entstanden ist dabei ein Theaterabend, der, stellenweise deutlich überladen, stellenweise zynisch, stellenweise peinlich, in seiner Heterogenität doch sehr sehenswert ist.
von Elena Liebenstein 19.03.14
Premiere in Berlin. Das Gemeinschaftsprojekt MARIAKRON untersucht die Rolle von Behinderten im Theater. Sind Behinderte Projektionsflächen?
Fünf Schauspieler und ein Regisseur sind gerade bei einer Theaterprobe. Pascal, der Behinderte, soll nicht behindert spielen. Im Drama mutiert er dann zu Bernd, der aufgefordert wird, die Aufführung nicht zu behindern. Bernd aber versteht, dass er behindert sei – und rastet aus. Das kommt einige Male vor, Bernd hält eine Kollegin für eine hinterfotzige, aufgetakelte Pferdekuh und kotzt seinen hochgekommenen Essensbrei aus. Bernd wird von einer Frau gespielt (Verena Unbehaun), die hochmotiviert ist und enorm aufdreht. Aus Verzweiflung beißt sie der Regisseur (Matthias Rheinheimer) – und wieder kommt es zu einem Ausbruch mit einer wüsten Schimpferei. Angesichts der gescheiterten Bändigung ist die Gruppe an einem Zustand angelangt, der an Niedergeschlagenheit grenzt.
Im Anfang ist alles ganz friedlich, eine Frau steht vor einem Pflanzenbild und drei Darsteller tauchen in fleischfarbenen Kostümen auf. Pascal/Bernd macht schnell auf sich aufmerksam: "Katja, ich möchte deine Fotze lecken." Bei der Einübung eines Sprechgesangs, Olayahyahyah oder so ähnlich, entsteht wegen einer falschen Betonungein Eklat und Pascal bricht darüber zusammen. Er will allerdings normal sein und hat sich in Behandlung begeben, und zwar bei Dr. Hagemann (Jörg Klemann), der ihn miteiner bizarren Therapie kurieren möchte. Hochkompetent im Gebaren wirkend, schöpft die revolutionär gesinnte medizinische Kapazität alle Möglichkeiten aus – und versagt. Im Theater gibt es ein Problem ganz anderer Art: Keiner kann einen Idioten spielen. Nach Einblendung eines Films aus dem 3. Reich möchte Bernd unbedingt eine Uniform tragen, damit ihm neue Impulse verliehen werden.
Ein seltsames Nazi-Arrangement wird aus dem Boden gestampft, die gut aufgelegte Silvana Buchbauer und Stephan Thiel tragen jene martialischen "Dienstanzüge", die über die ganze Welt marschieren wollten. Mit schweren Stiefeln. Aber Thiel zieht sie aus Protest einfach wieder aus. Und Silvana Buchbauers Figur lässt sich folgendermaßen vernehmen: "Ich bin kein Mülleimer." Das Fiasko ist komplett, und Alexander sagt zum Regisseur: "Ich ficke dich kaputt." Nein, wir befinden uns hier nicht bei einer berühmtberüchtigten Fassbinder-Probe, die Inszenierung zeigt vielmehr die Nicht-Integrierbarkeit eines Behinderten. Und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben. Das derbe Sprachpotenzial wird förmlich aus den Figuren herausgelockt, gerade in Phasen, die sich einem Desaster, einem Endpunkt nähern.
Die Frage ist nun, warum die Theatertruppe unbedingt mit einem Behinderten arbeiten möchte. Aus Authentizitätsgründen? Aus einer sozialen Verantwortung heraus? Klar ist, dass durch einen Behinderten eine verstörende Ästhetik hinzukommt, ein Zuwachs, allerdings nicht in qualitativer Hinsicht. Tatsache ist auch, dass bei Behinderten Dinge und Äußerungen ans Tageslicht rücken, die Nicht-Behinderte in einen Mantel des Schweigens hüllen. Ein Behinderter als Gefühlsverstärker. Er drückt das aus, was andere in sich gewaltsam unterdrücken. Nun, jedenfalls sorgt Pascal/Bernd für mächtig Unruhe. Die Figur Tanja fühlt sich als eine unterworfene kapitalistische Hure wie alle. Letztlich wird Bernd ans Bett gefesselt und wie ein kleines Tier gefüttert: Er erhält zudem einen Preis. Eine fragwürdige Auszeichnung. Der Umgang mit einem störrischen, rebellischen Behinderten ist ebenso rebellisch und krude. Der Versuch eines Happenings misslingt. Die Inszenierung ist noch lange nicht zu Ende gedacht. Dennoch ist das ein interessantes Projekt, das viel Aufmerksamkeit verdient. Manchmal sind die Unterschiede zwischen Stadttheater und Off gravierend, hier sind sie nur minimal. Der große Unterschied? Das Off-Theater beginnt meistens etwas später, wahrscheinlich mit Rücksicht auf Nachzügler.